Niederdruck- und Hochdruck- Misch-und Dosieranlagen im Vergleich

Peter Fischer, Leiter Marketing bei Sonderhoff: „Die ND-Technologie ist grundsätzlich flexibler“

Intelligente Spritzguss + PUR-Lösungen

Dichtungsschaum aus Polyurethan (PUR) lässt sich in direkter Kombination mit einer Spritzgießmaschine deutlich wirtschaftlicher auf thermoplastische Bauteile auftragen als in zwei getrennten Prozessen: Bereits direkt nach Entnahme aus dem Werkzeug, unter Ausnutzung der Restwärme der spritzgegossenen Bauteile (ca. 60 bis 100°C), werden die PUR-Dichtungen appliziert. Auf gepufferte oder vorproduzierte Spritzgießteile und eine teure Zwischenlagerung kann verzichtet werden. Der gesamte Fertigungsprozess erfährt dadurch eine deutliche Zeit-, und damit Kosteneinsparung.

Eine komplette Fertigungszelle für dieses Verfahren besteht aus Spritzgießmaschine, Misch- und Dosieranlage sowie einem Handlingsroboter. Am Markt werden zur Zeit sowohl Niederdruck- (ND) als auch Hochdruck- (HD) Misch- und Dosieranlagen angeboten. Die K-ZEITUNG befragte zwei führende Anbieter, die Sonderhoff Unternehmensgruppe/Köln sowie die Krauss Maffei AG/München, zu den Stärken und eventuell auch Schwächen ihrer angebotenen Technologien.

Die Fa. Sonderhoff ist Systemanbieter und Hersteller von Niederdruck Dosieranlagentechnik, Sonderautomation, 2K-Polyurethanschaumsystemen, 2K-Silikonschaumsystemen wie auch Anbieter von Lohnabdichtung. Als Spezialist für das Niederdruckverfahren bietet Sonderhoff mit Ihrem „Mold’n Seal“-Verfahren eine Inline-Kombination aus hydraulischer Spritzgießmaschine, Niederdruck- Misch- und Dosieranlage und 6-Achs-Handlingrobotor auf kleinstem Raum. Als Werkstoffe kommen die speziell für das Verfahren entwickelten, schnell reagierenden 2-Komponenten Fast-Cure PUR-Schaumsysteme aus der FERMAPOR® K 31 Produktfamilie zum Einsatz. Die Dichtungen werden nach dem sogenannten FIPFG-Verfahren (Formed in-place foam gasketing) direkt nach dem Spritzgiessen auf oder in die noch warmen Bauteile konturgenau aufgetragen.

K-ZEITUNG: Warum haben Sie sich für die Niederdrucktechnologie entschieden?

Peter Fischer: Sonderhoff ist seit mehr als 50 Jahren im Bereich Dichtungstechnik tätig und Weltmarktführer für FIPFG PUR-Dichtungsprodukte. Seit 1995 bietet Sonderhoff Fertigungslinien und Systemlösungen basierend auf ND-Dosieranlagentechnik und den bekannten Sonderhoff FIPFG Materialsystemen an. Aus unserer Erfahrung ist die Niederdruck-Technologie (ND) grundsätzlich flexibler als das Hochdruck-Verfahren, da sie bei allen dreidimensionalen Bauteilen aus Kunststoff oder Metall mit tiefen und/oder schmalen Nuten eingesetzt werden kann. Mit diesem Verfahren können zudem wasserdünne bis hochthixotrope Werkstoffe (ca. 300 bis 200.000 mPas) verarbeitet werden, bei einer guten Haftung auf unterschiedlichsten Substraten. Sonderhoff hat bereits mehr als 1000 Materialrezepturen nach den unterschiedlichsten Anforderungsprofilen von Kunden entwickelt und kann somit für eine große Produktbandbreite Lösungen anbieten. Bis heute werden Bauteile aus den verschiedensten Industrien abgedichtet wie z.B. i im Automobilbau, für den Elektro- und Schaltschrankbau, in der Elektronik/IT sowie für Beleuchtungen, Haushaltsgeräte (weiße Ware), Verpackungsmittel, Klima-/Luft-/Filtertechnik und Photovoltaik/Solarthermie. Die Hochdrucktechnik (HD) ist dagegen auf sehr dünnflüssige Komponenten angewiesen, die auch nur in einem engen Mischungsverhältnis verarbeitbar sind. HD kann daher nur einen Teil des sehr breiten PUR-Materialspektrums im Markt abdecken.

K-ZEITUNG: Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Vorteile des ND-Verfahrens?

Fischer: Besondere Stärken besitzt die ND-Technologie im Bereich kleinster Austragsmengen von 0,02 bis 3 g/s, wodurch vor allem auch sehr schmale Dichtungen, die so genannten Mikrodichtungen, auf Bauteile z.B. aus der Medizin- und Elektrotechnik appliziert werden können. Darüber hinaus können auch alle anderen Austragsmengen bis 100 g/s realisiert werden. Mit dem HD-Verfahren, bei dem die unterste Austragsmenge in der Praxis bei 3-5 g/s liegt, lassen sich aus unserer Sicht kleine Dichtungen nicht herstellen. Darüber hinaus sind mit der ND-Technologie Mischungsverhältnisse von 1:10 bis 10:1 möglich. Das HD-Verfahren ist nicht für Mischungsverhältnisse über 3:1 geeignet – eine weitere Einschränkung die die Materialauswahl und das mögliche Materialeigenschaftsspektrum reduziert.

Zusätzliche Vorteile für die Niederdrucktechnologie: Mit der ND-Technologie lässt sich auch die Kopplungsstelle der Dichtung besser und genauer wenn nicht gar unsichtbar applizieren. Über das Finetuning des Maschinenprogrammes kann die Schaumdichtungsraupe so präzise abgelegt werden, dass die Kopplungsstelle der Dichtung nach Aushärtung des Materials fast unsichtbar ist. Außerdem sorgt das Düsenverschlusssystem „Stop-Drop DVS-3“ von Sonderhoff für eine exakt definierte Ausbringmenge und Dimensionsgenauigkeit insbesondere in den Kopplungsbereichen.

Zudem wird bei ND eine gesteuerte Luftbeladung im Vorratsbehälter genutzt, um eine gute Nukleierung bzw. Feinzelligkeit des Schaums zu erreichen. Bei HD kommt es nach unserer Auffassung oft nicht zur perfekten Durchmischung der Komponenten. Daher zeigen mit der HD-Technologie hergestellte Dichtungen teilweise Blasen, Lufteinschlüsse und/oder eine unregelmäßige Oberfläche auf.

K-ZEITUNG: Wie steht es mit dem Reinigungsaufwand der ND-Anlagen?

Fischer: Für ND-Anlagen hat Sonderhoff eine Vielzahl neuer sehr schnell reagierender Produkte entwickelt. Im direkten Inline Zusammenspiel mit einer Spritzgussanlage muss eine ND-Dosieranlage innerhalb einer Produktionsschicht NICHT mehr gereinigt werden. Diese auf den jeweiligen Spritzgusszyklus angepassten Materialien erlauben eine sehr schnelle Klebfreizeit von bis zu 120 Sekunden. Entgegen der landläufigen Meinung müssen HD-Dosieranlagen auch gereinigt werden: Ausreagierte Materialreste, die an der Düsenplatte anhaften, müssen durch mechanisches Abstreifen entfernt werden. Auch die Feinstfilter, die das Ausgangsmaterial der A und B-Komponenten filtern, bevor es mit hohem Druck in Form einer Gegenstrominjektion ineinander „geschossen“ wird, müssen in bestimmten Reinigungsintervallen ausgetauscht werden.

K-ZEITUNG: Gibt es aus Ihrer Sicht auch Schwächen im Vergleich zum HD-Verfahren?

Fischer: Die HD-Technologie reklamiert für sich den Vorteil, dass der Mischkopf sich bei jedem Zyklus selbst reinigt und er somit große Wartezeiten überbrücken kann. Ich denke, dass es bei der Inlineverbindung mit einer Spritzgussanlage zwar zu Wartezeiten kommen kann, jedoch sind diese in der Regel immer gleich, wir sprechen hier von der Zykluszeit. Sonderhoff hat mit der ND-Technologie inzwischen mit namhaften Herstellern von Spritzgussanlagen wie ARBURG oder ENGEL gezeigt, dass ND-Anlagen innerhalb einer Produktionsschicht nicht mehr gereinigt werden müssen und der Mischkopf mit reaktivem Material einige Zeit auf das nächste Bauteil warten kann.

Bei geplanten Prozessen entstehen sowieso keine großen Wartezeiten, Zeit ist Geld und das spart die ND-Technologie Ihren Nutzern ein.

K-ZEITUNG Nutzt Ihr Unternehmen ein spezielles PUR-Material und wenn ja, was sind die Vorteile?

Fischer: Wie vorhin schon gesagt ist Sonderhoff auch Hersteller von Reaktionsprodukten, d.h. Sonderhoff entwickelt, produziert und vertreibt weltweit 2K-Polyurethanschaum- und Vergusssysteme wie auch 2K Silikonschaum- und Elastomersysteme. Darüber hinaus hat Sonderhoff bereits frühzeitig in Zusammenarbeit mit den führenden Herstellern von HD-Anlagentechnik u.a. auch für Krauss-Maffei 2K PU Materialsysteme entwickelt. Für das Niederdruck Mold’n Seal Verfahren wurden von Sonderhoff spezielle, schnell reagierende 2K-Polyurethanschaumsysteme entwickelt. Diese maßgeschneiderten Fast-Cure-Schaumdichtungen passen sich dem vorgegebenen Spritzgießzyklus an und können aufgrund der hohen Reaktivität kurze Klebfreizeiten, von ca. 2 Minuten realisieren.

Daraus resultiert eine Kosteneinsparung über den gesamten Spritzgießfertigungsprozess und führt im Ergebnis zu einer Erhöhung der Produktivität beim Kunden.

K-ZEITUNG: In welchem Leistungsbereich arbeiten die Mischköpfe von Sonderhoff?

Fischer: Die Mischköpfe von Sonderhoff sind für Austragsleistungen von 0,02 g/s bis 100 g/s ausgelegt, für Mischungsverhältnisse von 100:1 bis 1:100 stufenlos einstellbar und können Materialviskositäten von 300 bis 200.000 mPas. verarbeiten.

K-ZEITUNG: Wo sehen Sie hierbei die Vorteile des ND-Verfahrens?

Fischer: Mit der ND-Technologie können unterschiedlichste Bauteilformen auch mit komplexen 3D-Geometrien bearbeitet werden, weil der Mischkopf im Gegensatz zum HD-Verfahren eine konisch zulaufende V-Form hat. Außerdem können die Mischköpfe Dosierdüsen in den verschiedensten Längen und Durchmessern aufnehmen und damit das Dichtungsmaterial auch in schwer zugängliche Bauteilgeometrien einbringen. Komplexe, dreidimensionale Bauteile, Bauteile mit aus dem Konturverlauf herausragenden Laschen oder Ösen können mit dem HD-Verfahren nicht abgedichtet werden, da der Mischkopf aufgrund seiner Formgebung nicht an die schwer zugänglichen Geometrien dieser Bauteile herankommt. Beim HD-Verfahren muss der Mischkopf nah über die Applikationsbahn geführt werden und da keine langen Düsen verwendet werden können, ist der Einsatz auf Bauteile mit einer für den HD-Kopf zugänglichen Kontur limitiert. HD kann auch nicht für Bauteile mit tiefen und engen Nuten eingesetzt werden, da sich das Material nicht mit Hilfe einer Düse am Nutboden exakt ablegen lässt.

K-ZEITUNG: Wie schnell sind die fertigen Bauteile klebefrei?

Fischer: Die Aushärtezeit der schnell reagierenden Sonderhoff Fast-Cure Dichtungssysteme liegt bei ca. 120 Sekunden.

Aus unserer Sicht ist es nicht richtig, dass HD-Systeme viel schneller klebfrei sind. In verschiedenen Versuchsreihen mit Sonderhoff Fast-Cure Dichtungsschaumsystemen konnte dies im ND-Verfahren nachgewiesen werden. Mit Mold’n Seal ist bei einer Inline-Fertigung, d. h. beim Direktauftrag der Dichtung auf das noch heiße Spritzgussbauteil die Klebfreizeit bereits bei 120 Sekunden erreichbar. Dies hat zum Vorteil das Bauteile bereits nach 30 Minuten einbaufertig sind. Im Übrigen gibt der Produktionszyklus der Spritzgussanlage die weitergehende Bearbeitung vor.

K-ZEITUNG: Wie groß sind die Zeitersparnisse durch Ihre neue Systemlösung?

Fischer: Bei dem Mold’n Seal-Verfahren handelt es sich um eine Zeit- und um eine Kostenersparnis. Zum anderen verringern sich die Investitions- und Personalkosten durch den geringen Automationsaufwand. Ein weiterer Vorteil ist die Platzersparnis: anstatt bisher zwei wird nur noch ein Roboter für das Teile-Handling beider Abläufe (Spritzgießen und Dichtungsschäumen) benötigt. Die gesamte Fertigungseinheit bei einer Aufstellung der Dosieranlage neben der Spritzgussanlage benötigt lediglich eine Stellfläche von 36m². Inzwischen ist eine weitere Integrationstiefe erreicht, bei der die Dosieranlage in die Spritzgießanlage integriert ist, hierbei ist die Standfläche nur noch so groß wie die Spritzgießanlage. Aufgrund der sehr kurzen Ausreaktion des Dichtungsmaterials sind nur kurze Austakt- oder Transferbänder (ca. 3-4 m) erforderlich. Eine schnelle Weiterverarbeitung ist bereits nach 30 min. möglich. Im Ergebnis kann dadurch bei sinkenden Stückkosten der Fertigungs-Output bzw. die Produktionsrate deutlich gesteigert werden.

K-ZEITUNG: Wann wurde Ihre Technologie am Markt eingeführt und wie gut hat sie sich seitdem etabliert?

Fischer: Die ND-Technologie ist von Sonderhoff materialseitig bereits seit den 60ziger Jahren im Markt eingeführt und hat sich seitdem erfolgreich etabliert. Seitdem Sonderhoff als Systemanbieter auch Dosieranlagen baut, sind mehr als 1000 Niederdruck Misch- und Dosieranlagen in den verschiedensten Industrien wie im Automobilbau, für den Elektro- und Schaltschrankbau sowie für Elektronik/IT, Beleuchtungen, Haushaltsgeräte (weiße Ware), Verpackungsmittel, Klima-/Luft-/Filtertechnik, Photovoltaik/Solarthermie und für viele andere Anwendungen im Einsatz.

Das Mold’n Seal-Verfahren wurde erstmalig auf den Arburg Technologietagen 2011 vorgestellt und ist vor dem Hintergrund nachhaltiger Fertigungskonzepte mit dem Ziel einer erhöhten Energieeffizienz in der Kunststoff verarbeiten Industrie auf großes Interesse gestoßen und befindet sich bei einigen Verarbeitern in der Testphase. Auf dem Engel Symposium 2012 wird Mold´n Seal am Beispiel einer Feuchtraumleuchte mit einer sehr engen und tiefen Nut gezeigt und einer Integrationstiefe, bei der die ND-Anlage direkt in die Spritzgießanlage integriert ist.

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